Ein Plädoyer für die Integration von architekturpsychologischen Erkenntnissen in der Gestaltung von Arbeitsräumen.

Architekturpsychologie – was ist das?

Die Architekturpsychologie ist ein Teilgebiet der Umweltpsychologie und beschäftigt sich mit der Wirkung von gebauten Umwelten auf deren Nutzer. Schwerpunkt liegt auf der Wirkung von Gebäuden, von Innen- und Außenräumen auf den Menschen in kognitiver, emotionaler und sozialer Hinsicht.
Aktuelle Ansätze sprechen von einem reziproken Verhältnis von Nutzer und gebauter Umwelt und betonen den interaktiven Aspekt – wie Nutzer durch die gebaute Umwelt beeinflusst werden und wie sie auf die gebaute Umwelt reagieren, darin agieren und diese beeinflussen und verändern. Es geht daher um die Wechselwirkung von Raum und Verhalten.

Architekturpsychologie und Arbeitsraum

Im Kontext der Arbeitsräume beschäftigt sich die Architekturpsychologie mit der Erforschung der Auswirkungen von Elementen und Charakteristika des Arbeitsumfelds auf Akzeptanz und Zufriedenheit der Nutzer, Auswirkung auf deren Leistung, Identifikation, Verhalten, Wohlbefinden uvm.

Jacqueline Vischer – Umweltpsychologin and der Universität von Montreal hat die Forschung im Kontext „Umweltpsychologie der Arbeitsräume“ (Environmental Psychology of Workspace) in eine übersichtliche Typologie gebracht und zeigt die Notwendigkeit einer Erweiterung der Ansätze und Herangehensweisen auf.

typology of research_vischer

Wie sollen Entscheidungsträger Themen wie Status, Identität, Privatheit, Verteidigung des Territoriums bei Entscheidungen über Quadratmeter, Einrichtung, Umbau, Investitionskosten berücksichtigen? Entscheidungsträger müssen wissen, welche Elemente des physischen und sozialen Umfelds, zum Beispiel die Bildung von Territorien, als positive Kraft in der Organisation forcieren.

Die klassische Nutzerevaluation untersucht den Einfluss der verschiedenen Elemente des Arbeitsraums auf die Zufriedenheit der Nutzer mit ebendiesen Elementen, den Einfluss auf selbstwahrgenommene Produktivität, Veränderung der Kommunikation und Kollaboration usw. Gerade „Zufriedenheit“ ist kein Parameter, der die Wirkung von Elementen des Arbeitsraums hinreichend erklären kann.

Es ist klar, dass eine große Bandbreite psychologischer Faktoren mit beeinflusst, wie Nutzer ihre Arbeitsräume bewerten und nutzen – ihre Erfahrungen, Erwartungen, Emotionen und Glaubenssätze. So beeinflusst zum Beispiel nicht nur die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, die Arbeitszufriedenheit generell, sondern die generelle Arbeitszufriedenheit und das Selbstbild beeinflussen ebenfalls, wie Arbeitsräume wahrgenommen und bewertet werden.

Es ist Aufgabe der Architekturpsychologie, diese Faktoren in der Gestaltung und Evaluierung von Arbeitsräumen mitzudenken, zu integrieren und die vereinfachten Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzubrechen.

Ein Grundthema der Forschung zu Mensch und Arbeitsräumen ist, dass sie den aktuellen Entwicklungen auf dem Sektor der Neuen Arbeitswelten immer hinterherhinkt und dass sich die Komplexität von Arbeitsraumgestaltungen und der dazugehörigen Transformationsprozesse nur schwer in Forschungsdesigns abbilden lässt.

Entscheidungen von Unternehmen zu Gebäudedesign, Einrichtung, Raumkonzept, Arbeitsplatzgestaltung, Abläufen basieren auf Annahmen zu physischem, funktionalen und psychologischem Wohlfühlen und deren Wert und Bedeutung für das Funktionieren und die Produktivität des Unternehmen. Diese Annahmen werden selten artikuliert und fast nie hinterfragt.

Daher braucht es in der Gestaltung von Arbeitsräumen ein multidisziplinäres Wissen darüber wie Arbeitsräume auf ihre Nutzer wirken, wie sie diese unterstützen und beeinflussen. Die Architekturpsychologie – und die Organisationspsychologie – können hier zur Bewusstseinsbildung beitragen und Erkenntnisse aus der Feldforschung einbringen.

Zur Übersicht, einige Themenfelder mit denen sich die Architekturpsychologie im Kontext von Arbeitsräumen beschäftigt:

Ortsidentität/ Identität / Identifikation – Bedeutung von Territorien von Einzelpersonen und Gruppen – Raumwahrnehmung/ Raumorientierung – Inszenierung, Atmosphären und deren Wirkung – Prozesse der Aneignung von RaumBedeutung und Ausprägungen von Privatheit – Funktionaler Komfort – Psychologischer Komfort – Physischer KomfortBedeutung von Umweltkontrolle – Raum und soziale Interaktion – Einfluss von Räumen auf Innovationsfähigkeit und Kreativität – Raum und Gesundheit/ Stressoren – Raum und Organisation – Raum und Effektivität (Individuum, Team, Organisation) – UVM

Quellen: Vischer, J.C. (2008). Towards an Environmental Psychology of Workspace: How People are affected by Environments for Work. Architectural Science Review Vol 51.2, pp97-108