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The Sociospatial Contract

Warum hängen Mitarbeiter oft an ihren kleinen, gar nicht so attraktiven und sogar hässlichen Büros?
Warum lösen Veränderungen der Arbeitsräume so große Ängste und Widerstände aus?

Es ist ein Bruch des sozio-räumlichen Vertrags!!!

Der sozio-räumliche Vertrag ist ein Versuch, die psychologische Dynamik, die bei intendierten Veränderungen des Arbeitsraums entsteht, zu erklären und zu beschreiben.

Der Begriff des soziospatial contract wurde von der Umweltpsychologin Jacqueline Vischer geprägt und lässt sich etwas sperrig mit sozial-räumlichem Vertrag oder sozio-räumlichem Vertrag übersetzen.

Der sozio-räumliche Vertrag ist angelehnt an den Begriff des psychologischen Vertrags – dieser „bezeichnet gegenseitige Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Bestandteil der Arbeitsbeziehung. Es handelt sich dabei um „mehr oder weniger implizite Erwartungen und Angebote“, die über den (schriftlichen) Arbeitsvertrag hinausgehen.“ (Wikipedia)

Jacqueline Vischer beschreibt in ihrem Buch „Space meets Status“ den impliziten Deal zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der verantwortlich ist für die symbolische Kraft des Arbeitsraums.  Diese Kraft basiert auf der Beziehung der Organisation zu ihren „Räumen“ – alle Entscheidungen, die Organisationen in Bezug auf ihre Arbeitsräume treffen, haben einen langfristigen Effekt, der wiederum die impliziten Regeln des Arbeitnehmer – Arbeitgeber Vereinbarung beeinflusst. Diese Vereinbarung ist der sogenannte sozio-räumliche Vertrag.

Dieser Vertrag, nie explizit gemacht und nur wahrgenommen wenn er verletzt wird, inkludiert RAUM als eine Kernkomponente der Vereinbarung zwischen beiden Seiten. Der Raum, der dem/der ArbeitnehmerIn zur Verfügung steht, um seine/ ihre Arbeit auszuführen, symbolisiert auch andere implizite Teile des Vertrags, zum Beispiel Mitarbeiter Loyalität, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Produktivität. Der Raum kommuniziert, wie wichtig Mitarbeiter sind und mit wem erwartet wird, dass sie interagieren. Kurzum, das individuelle Büro, der Arbeitsplatz, Arbeitsraum ist ein kraftvolles und tiefgreifendes Symbol der wechselseitigen Rechte, Verantwortlichkeiten, Erwartungen und Verbindlichkeiten des Individuums und der Organisation.

Die wichtigsten meist unhinterfragten Annahmen, auf denen der sozio-räumliche Vertrag basiert, sind Territorialität, Leistung/ Produktivität und Umweltkontrolle.

Entscheidungträger, Planer und Designer, welche die Dynamik von Arbeitsraumveränderungen positiv nützen möchten, sollten verstehen, wie diese drei Kräfte wirken. Es braucht ein Bewusstsein für die tiefe psychologische Verbindung, die Menschen mit ihrem Arbeitsraum haben. Arbeitsraum ist nicht nur eine Ressource und ein Mittel zum Zweck, sondern bedient ein primitives menschliches Bedürfnis  – Territorium zu besetzen.

Territoriales Verhalten im Arbeitskontext zeigt sich in der Verteidigung gegen Eindringen und Ablenkungen. Das Verhaltensrepertoire inkludiert das Markieren von Abgrenzungen, physisch und mental,  Dekorieren und Personalisieren und ein gewisses Maß an Kontrolle, nicht nur über den Kontakt mit anderen Menschen, sondern auch über die Art des Arbeitsraums, den man verwendet.

Beispiele für die Antwort der klassischen Arbeitsraumgestaltung auf die territorialen Bedürfnisse waren und sind: ein physisch abgegrenztes Büro für das Bedürfnis nach Privatheit, mehr Raum für das Bedürfnis nach Status, viel Ablage für das Bedürfnis nach Wurzeln.

Die Definition, Bedeutung, Prinzipien der Arbeitsraumgestaltung haben sich verändert, die Wechselwirkung von Arbeitsraum, Strategie, Struktur und Unternehmenskultur wird heute vielfach mitbedacht und aktiv zu deren Gestaltung genützt.

Nur, was bedeuten diese Veränderungen (auch in Gesellschaft und Organisationen generell) für diese basalen menschliche Bedürfnisse im Zusammenhang mit Arbeitsraum? Es braucht eine neue Antwort.

Arbeitsraum, in der Funktion als Territorium, verbindet Mitarbeiter mit der Organisation. Mitarbeiter brauchen einen „Platz“ in der Organisation der wahrgenommen, wertgeschätzt wird und über den sie ein gewisses Maß an Kontrolle haben. Dieser Platz ist nur teilweise ein physischer, auch weil Arbeitsraum, so wie Arbeit, nicht mehr ausschliesslich über die Grenzen von Ort und Zeit definiert werden kann, in denen Geld verdient wird.

Verändern sich basale menschliche Bedürfnisse auch mit der gesellschaftlichen Entwicklung? Oder nur deren Ausdruck?

Ein Gedankenexperiment am Beispiel des Bedürfnis nach Status – dem Bedürfnis nach einer Verortung in der Organisation.

Auch wenn sich die Bedeutung von räumlich Statussymbolen langsam verändert und die jungen Generationen ein anderes Verständnis und andere Symbole von Status haben, so spiegelt der zugeordnete Raum in vielen sozio-räumlichen Verträgen immer noch die Wichtigkeit von sozialer Rolle und Rang wieder. Job, Selbstbild, soziale Rolle und Rang haben einen Bezug zum Arbeitsraum und daher eine Funktion in der Erhaltung der eigenen Identität. Jede Veränderung des Arbeitsraums ist daher potentiell bedrohlich, nimm mir die Wand, die Tür und du veränderst nicht nur den Raum, sondern auch meine Arbeit, meine Rolle, mein Selbstverständnis.

Nur langsam verändert sich eine Grundannahme des sozio-spatial contracts – größerer, schönerer Arbeitsraum ist ein Zeichen von Aufstieg in der Organisation – ist der Beweis für den impliziten sozialen Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Das mag überzogen und veraltet klingen, doch gerade die subtilen und impliziten Symbole halten sich hartnäckig. Wenn, in der neuen Arbeitswelt, nur eine Person an ihrem Territorium festhält, dann signalisiert das dem Rest der Organisation, dass der „alte“ sozio-räumliche Kontrakt noch gilt.

Es braucht daher neue Antworten auf – in diesem Fall – das Bedürfnis nach Status, eine neue, vielleicht raumunabhängige, Symbolik und damit eine neue Aushandlung des sozio-räumlichen Vertrags.

Quelle: Vischer, J.C. (2005) Space Meets Status. Designing workplace performance, New York: Routledge

von |September 15th, 2015|Schlagwörter: , , |

Was die Architekturpsychologie zur Gestaltung von Arbeitsräumen beitragen kann

Ein Plädoyer für die Integration von architekturpsychologischen Erkenntnissen in der Gestaltung von Arbeitsräumen.

Architekturpsychologie – was ist das?

Die Architekturpsychologie ist ein Teilgebiet der Umweltpsychologie und beschäftigt sich mit der Wirkung von gebauten Umwelten auf deren Nutzer. Schwerpunkt liegt auf der Wirkung von Gebäuden, von Innen- und Außenräumen auf den Menschen in kognitiver, emotionaler und sozialer Hinsicht.
Aktuelle Ansätze sprechen von einem reziproken Verhältnis von Nutzer und gebauter Umwelt und betonen den interaktiven Aspekt – wie Nutzer durch die gebaute Umwelt beeinflusst werden und wie sie auf die gebaute Umwelt reagieren, darin agieren und diese beeinflussen und verändern. Es geht daher um die Wechselwirkung von Raum und Verhalten.

Architekturpsychologie und Arbeitsraum

Im Kontext der Arbeitsräume beschäftigt sich die Architekturpsychologie mit der Erforschung der Auswirkungen von Elementen und Charakteristika des Arbeitsumfelds auf Akzeptanz und Zufriedenheit der Nutzer, Auswirkung auf deren Leistung, Identifikation, Verhalten, Wohlbefinden uvm.

Jacqueline Vischer – Umweltpsychologin and der Universität von Montreal hat die Forschung im Kontext „Umweltpsychologie der Arbeitsräume“ (Environmental Psychology of Workspace) in eine übersichtliche Typologie gebracht und zeigt die Notwendigkeit einer Erweiterung der Ansätze und Herangehensweisen auf.

typology of research_vischer

Wie sollen Entscheidungsträger Themen wie Status, Identität, Privatheit, Verteidigung des Territoriums bei Entscheidungen über Quadratmeter, Einrichtung, Umbau, Investitionskosten berücksichtigen? Entscheidungsträger müssen wissen, welche Elemente des physischen und sozialen Umfelds, zum Beispiel die Bildung von Territorien, als positive Kraft in der Organisation forcieren.

Die klassische Nutzerevaluation untersucht den Einfluss der verschiedenen Elemente des Arbeitsraums auf die Zufriedenheit der Nutzer mit ebendiesen Elementen, den Einfluss auf selbstwahrgenommene Produktivität, Veränderung der Kommunikation und Kollaboration usw. Gerade „Zufriedenheit“ ist kein Parameter, der die Wirkung von Elementen des Arbeitsraums hinreichend erklären kann.

Es ist klar, dass eine große Bandbreite psychologischer Faktoren mit beeinflusst, wie Nutzer ihre Arbeitsräume bewerten und nutzen – ihre Erfahrungen, Erwartungen, Emotionen und Glaubenssätze. So beeinflusst zum Beispiel nicht nur die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, die Arbeitszufriedenheit generell, sondern die generelle Arbeitszufriedenheit und das Selbstbild beeinflussen ebenfalls, wie Arbeitsräume wahrgenommen und bewertet werden.

Es ist Aufgabe der Architekturpsychologie, diese Faktoren in der Gestaltung und Evaluierung von Arbeitsräumen mitzudenken, zu integrieren und die vereinfachten Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzubrechen.

Ein Grundthema der Forschung zu Mensch und Arbeitsräumen ist, dass sie den aktuellen Entwicklungen auf dem Sektor der Neuen Arbeitswelten immer hinterherhinkt und dass sich die Komplexität von Arbeitsraumgestaltungen und der dazugehörigen Transformationsprozesse nur schwer in Forschungsdesigns abbilden lässt.

Entscheidungen von Unternehmen zu Gebäudedesign, Einrichtung, Raumkonzept, Arbeitsplatzgestaltung, Abläufen basieren auf Annahmen zu physischem, funktionalen und psychologischem Wohlfühlen und deren Wert und Bedeutung für das Funktionieren und die Produktivität des Unternehmen. Diese Annahmen werden selten artikuliert und fast nie hinterfragt.

Daher braucht es in der Gestaltung von Arbeitsräumen ein multidisziplinäres Wissen darüber wie Arbeitsräume auf ihre Nutzer wirken, wie sie diese unterstützen und beeinflussen. Die Architekturpsychologie – und die Organisationspsychologie – können hier zur Bewusstseinsbildung beitragen und Erkenntnisse aus der Feldforschung einbringen.

Zur Übersicht, einige Themenfelder mit denen sich die Architekturpsychologie im Kontext von Arbeitsräumen beschäftigt:

Ortsidentität/ Identität / Identifikation – Bedeutung von Territorien von Einzelpersonen und Gruppen – Raumwahrnehmung/ Raumorientierung – Inszenierung, Atmosphären und deren Wirkung – Prozesse der Aneignung von RaumBedeutung und Ausprägungen von Privatheit – Funktionaler Komfort – Psychologischer Komfort – Physischer KomfortBedeutung von Umweltkontrolle – Raum und soziale Interaktion – Einfluss von Räumen auf Innovationsfähigkeit und Kreativität – Raum und Gesundheit/ Stressoren – Raum und Organisation – Raum und Effektivität (Individuum, Team, Organisation) – UVM

Quellen: Vischer, J.C. (2008). Towards an Environmental Psychology of Workspace: How People are affected by Environments for Work. Architectural Science Review Vol 51.2, pp97-108

 

von |Juni 7th, 2015|Schlagwörter: , |

Geschäftig und Beschäftigt – Über soziale Normen in den neuen Arbeitswelten

Sie sind da, sie prägen uns, sie beeinflussen unser Verhalten. Die sozialen Normen der Arbeit. Damit sind vor allem die impliziten, dh. nicht ausgesprochenen Annahmen und Bewertungen gemeint, die uns in unserem Verhalten in der Arbeitswelt ständig begleiten.

Besonders sichtbar werden sie bei der Implementierung flexibler Arbeitsraum- und Arbeitszeitkonzepte. Unternehmen, die sich auf einen Flexibilisierungsprozess eingelassen haben, berichten von der Notwendigkeit, einige tradierte sozialen Normen aufzubrechen.

Eine dieser sozialen Normen ist: Anwesenheit (am Schreibtisch) und Sichtbarkeit bedeuten Produktivität.

Auch wenn die expliziten Regeln viel Freiraum lassen, die Zuschreibung, dass Arbeit irgendwie sichtbar sein muss ist weit verbreitet. In Zeit der Wissens- und Lösungsarbeit, ist das Ergebnis von Arbeit immer weniger angreifbar und damit sichtbar – im Gegensatz zu einem gefertigten Produkt. Arbeit wird primär sichtbar über konzentriert am Schreibtisch sitzen, in einer Besprechung sein, telefonieren usw.

In Gesprächen mit Unternehmen, die flexibles Arbeiten und /oder neue Arbeitsraumkonzepte eingeführt haben, wurde als eine große Herausforderung genannt, dass ein gewisses Maß an Sichtbarkeit von Mitarbeitern und Führungskräften als wichtig eingestuft wird.

Wer kennt das nicht: wenn mein Vorgesetzter wahrnimmt, dass ich konzentriert vor dem Bildschirm sitze, telefoniere oder von Meeting zu Meeting eile, werde ich als produktiv und ARBEITEND wahrgenommen. Bei höheren Positionen dreht sich diese Wahrnehmung meist um, das heißt wer viel abwesend und nicht verfügbar ist, wird als wichtig und wertschöpfend wahrgenommen.

Welches Verhalten als Arbeit wahrgenommen wird und welches nicht, ist erstaunlich tief geprägt von Jahrzehnten einer Anwesenheitskultur.

Wir wissen alle aus eigener Erfahrung, dass man offensichtlich sehr konzentriert, beschäftigt in den Bildschirm starren kann, und gerade äußerst unproduktiv ist. Gleichzeitig kann man, in einer Cafeteria sitzend, ein scheinbar lockeres, aber sehr produktives Gespräch führen.

Wie sehr prägen uns trotz dieses Wissens und dieser Erfahrung am eigenen Leib noch immer die sozialen Normen von Arbeit aus dem letzten Jahrhundert?

Die Antwort liegt schon in der Frage versteckt. Wir haben dieses Verhalten lange, lange geübt und gelernt. Auch nach 20 Jahren und mehr mit Performance Management hat die Sichtbarkeit des Arbeitsprozesses immer noch einen hohen Stellenwert.

Die große Herausforderung für Unternehmen, die Arbeit zeitlich und örtlich flexibilisieren möchten, ist, die sozialen Normen der Arbeit neu zu definieren. Dazu braucht es Führungsinstrumente, die helfen „Arbeit“ und deren Ergebnisse gut zu operationalisieren, eine regelmäßige und spontane Kommunikation dazu und eine echte Vertrauenskultur. Der Umgang mit Vertrauen, Vertrauensvorschüssen, Vertrauenskonten will gelernt und geübt sein (siehe Gucher/Liegler/Neundlinger/Rack, NEW DEAL, 12 Prinzipien für eine produktive Zukunft, 2014). Auszug aus dem Buch

Aber es liegt nicht nur an den Führungskräften diese alten Muster der Bewertung aufzubrechen. Es wird vielfach beobachtet, dass Mitarbeiter sich nicht wohlfühlen, wenn sie für ihre Führungskraft und das Team gar nicht sichtbar sind. Anwesenheit und Geschäftigkeit sind Teil der Norm und ein vermeintliches Zeichen von Wichtigkeit. Wenn keiner sieht wie geschäftig ich bin, sieht auch keiner wie wichtig ich bin. Dieses Bedürfnis sucht sich neue Kanäle, sei es in der Menge an produzierten emails, die Häufigkeit von cc Kopien, die Absendezeit von emails und vieles mehr. Bei der Einführung von Social Enterprise erlebt man inzwischen Diskussionen um den richtigen Umgang mit dem „Online Status“ – ein Feld, wo es noch viel über Verhalten und soziale Normen zu lernen gibt.

Nur am Rande erwähnt werden können hier weitere damit verbundene Herausforderungen – Überlastung, Abgrenzung, Gesundheit, Selbstverantwortung. Reglementierung von Seiten der Arbeitgeber, wie teilweise schon ausprobiert, kann aus meiner Sicht zwar ein Anstoß aber keine umfassende Lösung sein, da sie in den alten Mustern von Kontrolle verharrt. Es geht vielmehr um die Etablierung neuer sozialer Normen und dazu braucht es Zeit, eine signifikante Menge von Vorbildern, gestärkte Eigenverantwortung und viel Vertrauensvorschuss.

von |Dezember 23rd, 2014|Schlagwörter: , , , |